Was ist mit uns? Jugend und Arbeit(slosigkeit) während der COVID-19 Krise

Samia Kassid
10.06.2020

Junge Arbeitskräfte sind von der wirtschaftlichen Krise durch den Ausbruch von COVID-19 ganz besonders betroffen. Nun sind intelligente Strategien gefragt, um angemessene und nachhaltige Jobs für junge Erwachsene zu ermöglichen.

COVID-19 hat uns gezeigt, wie verletzlich und globalisiert unsere Wirtschaftssysteme und Gesellschaften wirklich sind. Armut und Einkommensungleichheit werden die Chancen der Jugend auf dem Arbeitsmarkt nach COVID-19 stark einschränken.

Aktuell leben 1,8 Milliarden Menschen im Alter zwischen 15 und 35 Jahren auf der Erde – das ist ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Damit ist diese Generation der Jugendlichen und Jungen die größte, die es je gegeben hat.

Die globale Rezession durch die COVID-19-Pandemie wird voraussichtlich mehr als 25 Millionen Jobs kosten – und die Gefahr, ihre Arbeit zu verlieren, ist für junge Menschen am größten, da der Arbeitsmarkt für junge Menschen extrem sensibel auf Konjunkturzyklen reagiert. Weltweit werden junge Arbeitnehmer zu den Ersten gehören, die ihre Arbeit verlieren oder sie werden auf qualitativ schlechtere, weniger gut bezahlte oder unsichere Jobs ausweichen müssen. Besonders betroffen sind junge Erwachsene, die nicht in Ausbildung, Arbeit oder Schulung sind (häufig mit dem Akronym NEET, „Not in Education, Employment or Training“ bezeichnet).

Global ist die Arbeitslosenquote der Jugend dreimal höher als die der Erwachsenen (OECD, Daten von 2018). Die aktuelle globale Rezession wird die 13,6 % der jungen Erwachsenen, die weltweit bereits arbeitslos sind – wobei die Quoten regional extrem unterschiedlich ausfallen: in Nordamerika und Subsahara-Afrika beträgt die Quote 9 %, in Nordafrika dagegen 30 % – sowie andere junge Arbeitnehmer ganz besonders hart treffen. Mehr als die Hälfte der jungen Arbeitslosen sind Frauen. Für sie wird es schwerer als je zuvor, das Geschlechtergefälle weiter auszugleichen.

COVID-19 verändert die Arbeitswelt und beschleunigt die digitale Transformation

Alle Wirtschaftsbereiche sind von der Pandemie betroffen, doch der Effekt ist in arbeitsintensiven Branchen mit Millionen an jungen, geringqualifizierten Niedriglohn-Arbeitern am stärksten ausgeprägt. Junge Menschen stellen in Entwicklungs- und Industrieländern den größten Teil der Arbeitskräfte im Groß- und Einzelhandel, im Beherbergungsgewerbe und in der Gastronomie – und diese Branchen sind durch die Krise am stärksten betroffen. Prognosen zufolge soll es bald mehr befristete und Teilzeit-Jobs geben, die weniger stabil sind und wenige Arbeitgeberleistungen bieten, da die Unternehmen ungern zu Vollzeit-Beschäftigungsmodellen zurückkehren werden.

COVID-19 zwingt Wirtschaftssysteme und Unternehmen, ihre digitale Transformation zu beschleunigen, um mit der plötzlichen Zunahme von Heimarbeit und Online-Shopping Schritt zu halten. Die Krise beschleunigt auch die Entwicklung von künstlicher Intelligenz und Automatisierung.

Angemessene und nachhaltige Jugendbeschäftigung muss ein Hauptmotiv des globalen politischen Handelns sein

Das Herunterfahren der Wirtschaft ist eine entscheidende Gelegenheit, Wirtschaftssysteme umzugestalten, sodass sie dem Klimawandel und der Umweltzerstörung entgegenwirken, und statt in die alten Modelle in kohlenstoffarme und nachhaltige ökologische Wirtschaftssysteme zu investieren. In manchen Städten wie Los Angeles (USA), Regionen wie Schottland und in der EU wurden Fortschritte in der Implementierung des sogenannten „Green New Deals“ erzielt, der ökologisch verträglichere und sauberere Jobs im Tech-Bereich zum zentralen Kern der wirtschaftlichen Wiederbelebung macht.

Angemessene und nachhaltige Jobs für junge Erwachsene bereitzustellen ist die beste Investition in die Jugend. Um nachhaltige sozio-ökonomische Fortschritte mit florierenden Wirtschaftssystemen und Gesellschaften zu erzielen, sind dynamische, mündige und erwerbstätige junge Menschen unabdingbar. Diese jungen Menschen zu unterstützen muss ein Hauptziel der politischen Strategien sein, damit wir robuste Staaten mit gleichberechtigten, integrativen und nachhaltigen Wirtschaftssystemen und Gesellschaften aufbauen können, die die Natur respektieren und sich für zukünftige Generationen einsetzen.

Gute Strategien zur Förderung der Jugendbeschäftigung

Niemanden abzuhängen und junge Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen sind nicht allein Aufgaben der Politik – ein besseres Bildungssystem mit fortschrittlichen pädagogischen Konzepten und eine für das 21. Jahrhundert angemessene technische und berufliche Bildung sind ebenfalls von großer Bedeutung. Qualitativ hochwertige Bildung und eine auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtete Bildung sind Schlüsselkomponenten für jegliche Innovation. Sie helfen den Lernenden, grundlegende Fähigkeiten, wichtiges Wissen und Kompetenzen wie kritisches Denken, MINT, Szenarienplanung, kooperative Beschlussfassung und die Fähigkeit zur Problemlösung zu erlangen. Der World Future Council hat einige beeindruckende Strategien in Europa näher untersucht. Darunter war auch die schottische Jugendbeschäftigungsstrategie „Developing the Young Workforce“ („Die junge Arbeitnehmerschaft entwickeln“). Die Strategie bringt das auf Nachhaltigkeit ausgelegte Bildungssystem, Arbeitgeber, die Zivilgesellschaft, Jugendorganisationen und örtliche Behörden zusammen, um die Jugendarbeitslosigkeit zu reduzieren und jungen Menschen Wege zu eröffnen, an aktuellen und zukünftigen Beschäftigungsmöglichkeiten teilzuhaben.

Berufsbildungs- und Schulungsmodelle, auch als duales Ausbildungssystem bekannt, werden in einigen europäischen Ländern wie Österreich, Deutschland, Luxemburg oder der Schweiz angewendet. Sie bieten bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, da sie die Jugend durch die Kombination aus Theorie und Praxis innerhalb einer realen Arbeitsumgebung beim Einstieg ins Arbeitsleben unterstützen.

Bezüglich des Unternehmertums ist auch die walisische „Youth Entrepreneurship Strategy“ („Jugend-Unternehmertum-Strategie“, kurz „YES-Strategie“) eine beeindruckende Initiative, die das Jugendunternehmertum fördert. Die YES-Strategie basiert auf der Vision, selbständige, unternehmerische junge Menschen in ganz Wales heranzuziehen und zu unterstützen. Sie wurde in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern der Initiative entwickelt und richtet sich an junge Menschen bis zum Alter von 25 Jahren. Die Strategie wird von der walisischen Regierung finanziert und involviert ein breites Spektrum an lokalen Akteuren: von Jugendorganisationen über Unternehmen und Schulen bis hin zu Hochschuleinrichtungen. Durch den Einfluss der YES-Strategie haben sich Einstellung und Verhalten der jungen Menschen in der Frühphase unternehmerischer Tätigkeiten stark verändert.

Der World Future Council hat nachhaltige Lösungen unter Futurepolicy.org in Form einer Datenbank für zukunftsgerechte Strategien gesammelt. Die Website ist aktuell nur auf Englisch verfügbar.

Samia Kassid

World Future Council
Samia Kassid leitet seit Mai 2014 das Team des World Future Council für das Thema Kinderrechte. Sie verfügt über langjährige Erfahrungen in den...

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